Trotz einer umfangreichen Medienberichterstattung
über die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung in den
vergangenen Jahren herrscht in der Öffentlichkeit nach wie vor
ein unklares, oftmals auch verzerrtes Bild von den betroffenen
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie ihrer Situation vor.
Im Zentrum der (medialen) Aufmerksamkeit stehen
häufig das zum Teil problematische Verhalten der jungen
Betroffenen sowie die oft polarisierend diskutierte Frage nach
der richtigen Behandlung der Erkrankung. Nicht selten wird aber
auch die Existenz der Erkrankung als solche in Frage gestellt.
Eltern werden mit dem Vorwurf konfrontiert, am normbrechenden
Verhalten ihrer Kinder selbst schuld zu sein, ihre Kinder mit
Medikamenten „ruhig zu stellen“ oder aber, getrieben von zu
ehrgeizigen Lern- und Bildungszielen, deren Leistungsfähigkeit
steigern zu wollen.
Derartige Debatten verkennen die oft schwierige
Situation der Betroffenen, verfestigen klischeehafte
Vorstellungen und tragen zu einer Stigmatisierung bei.
Wir setzen uns ein für eine öffentliche Wahrnehmung,
die den Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen mit ADHS und
ihren Familien gerecht wird. Deshalb betonen wir nachdrücklich
folgende Tatsachen:
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ADHS wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus. Betroffene und
ihre Familien brauchen Unterstützung.
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Betroffene benötigen eine frühzeitige Diagnostik,
individuelle Therapie und spezielle Förderung in Schule und
Ausbildung, damit sie ihre Begabungen entwickeln, ihr
Potenzial ausschöpfen und ihre Ziele erreichen können.
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Hierfür ist es erforderlich, dass die bestehenden
gesetzlichen Möglichkeiten zur Förderung von Kindern und
Jugendlichen mit ADHS in der Schule tatsächlich umgesetzt
werden. Lehrerinnen und Lehrer müssen noch besser dabei
unterstützt werden, gemeinsam mit allen Schülerinnen und
Schülern ertragreiche Lern- und Bildungsprozesse zu
gestalten. Wir unterstützen in diesem Zusammenhang die vom
zentralen adhs-netz formulierten Eckpunkte zu ADHS und
Schule.
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Im Zusammenhang mit der Erkennung und Behandlung der
ADHS weisen wir auf folgende
medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse hin:
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ADHS ist keine Modeerscheinung, sondern eine
behandlungsbedürftige Erkrankung. Sie tritt in
unterschiedlichen Kulturen in ähnlicher Häufigkeit auf.
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ADHS ist eine neurobiologische Erkrankung. Sie hat
überwiegend genetische Ursachen und tritt deshalb oft in
einer Familie gehäuft auf.
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Für den Verlauf der ADHS sind psychosoziale Faktoren wie z.
B. die Erziehung von großer Bedeutung. ADHS kann aber nicht
auf bestimmte Erziehungsmethoden oder Medienkonsum
zurückgeführt werden.
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Eine frühzeitige, umfassende, leitliniengemäße Diagnostik
durch einen ärztlichen Spezialisten ist entscheidend für
eine erfolgreiche Therapie.
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Bei der Behandlung der ADHS kommen verschiedene Maßnahmen
zum Einsatz, die in Abstimmung auf die individuelle
Situation unterschiedlich kombiniert werden können
(multimodale Therapie).
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Eine Behandlung mit Medikamenten ist erforderlich, wenn
andere Maßnahmen versagen. Manche Betroffene bedürfen
ausschließlich einer psychotherapeutischen und
psychosozialen Therapie. Bei anderen ermöglichen Medikamente
überhaupt erst eine erfolgreiche pädagogische Arbeit oder
psychotherapeutische Behandlung. Bei Dritten ist eine
medikamentöse Behandlung ausreichend. Ein ausgewiesener
Spezialist muss im Einzelfall entscheiden, welche Maßnahmen
erforderlich sind, und deren Wirksamkeit und Notwendigkeit
regelmäßig überprüfen. Der Behandlungsbedarf kann sich im
Verlauf der Erkrankung verändern.
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Eine Behandlung mit Medikamenten soll von bzw. in
Kooperation mit einem auf ADHS spezialisierten Arzt
durchgeführt und überwacht werden.
Dieses Positionspapier wurde vom wissenschaftlichen Beirat der
Informationskampagne ADHS und Zukunftsträume erarbeitet und am
23. Februar 2011 in Berlin verabschiedet.
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